Alles um uns wird kleiner, so überschaubar einfach wirkt jetzt unser Lebensraum. Mein Fluggast und ich sitzen in einem Hochleistungs-Zweisitzer mit einer Flügelspannweite von 18 Metern. Wir steigen auf in eine für mich sehr vertraute Welt, eine Welt aus Wind, Wolken und uns.
Der Steigflug, wir hängen noch immer am Seil der Winde, wird allmählich flacher, ich klinke aus, und wir sehen nun auch vor uns wieder die Erde.
Wir kreisen im "Bart"
Dreihundert Meter über dem Erdboden steuere ich den Segler mit ca. 120 km/h in Richtung eines Hanges, wo ich mir leichten Aufwind erwarte. Das Flugzeug lässt sich exakt und leicht fast wie eine Verkehrsmaschine steuern. Mit dem Steuerknüppel manövriert man die Maschine über Höhen- und Querruder, unter Zuhilfenahme der Seitenruder, die man mit den Füßen betätigt, in alle Richtungen im Raum. Präziser und mit mehr Action als es ein 3D-Spiel jemals vermitteln kann.
Meinen Fluggast überkommt kein Schwindelgefühl, wie vielleicht auf einem Turm. Die Kabine des Flugzeuges verleiht ihm Sicherheit und Halt. „Die volle Action [äktschn]!“, meint er überwältigt, „wann geht es endlich höher!“
Plötzlich scheint es, als wolle uns der erste starke Aufwind aus der Bahn schleudern zu wollen, doch einige Steuerbewegungen mit den Rudern können uns nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Um in diesem Aufwind („Bart“) zu bleiben, muss man ständig eine Kurve fliegen, dann ist es soweit: Unwillkürlich will man sich dagegenstemmen, dagegen ankämpfen, dass die Erde plötzlich schief steht. Bewusst versuchen wir jedoch, uns gemeinsam mit dem Segler zu bewegen, eins mit ihm zu werden, so entsteht das Gefühl einer Bewegung im Raum, wie es kaum ein Verkehrsmittel am Boden je nachvollziehen kann.
Ein riesiger Stein im Luftstrom
Inzwischen hat uns der Aufwind in eine Höhe von 2000 m gebracht, eine gute Ausgangsposition, um den nächsten großen Gebirgszug zu erreichen. Mit einem leichten Druck auf den Steuerknüppel nach vorne beschleunigt der weiße Segler auf mehr als 250 km/h und bewegt sich ständig leicht abwärts. Da die Geschwindigkeit natürlich auf Kosten der Höhe geht, kommen wir unter dem Bergrücken des mächtigen Massivs an. Die leichte Föhnwetterlage gibt uns die Möglichkeit in Höhen zu gelangen, die bei „Normalwetterlagen“ nie zu erreichen wären. Mein Fluggast ist überwältigt. „Das ist ja, also Wahnsinn!“, stammelt er und staunt nurmehr vor sich hin.
Als würde man in einen Strom einen riesigen Stein hineinwerfen, genauso kommen auch die Luftmassen in eine Wellenbewegung, an deren Vorderseite sich der Segelflieger bis 16 000 m emportragen lassen kann.
Unser Höhenmesser zeigt jedoch auch bereits 4000 m an, Sauerstoff wird bereits gesetzlich vorgeschrieben. Um nicht höher zu steigen, werden die Störklappen herausgenommen, und das feine Instrument zeigt uns, dass das Flugzeug mit 3m/sec. In die Tiefe sinkt, genauso schnell, wie wir kurz vorher noch gestiegen sind. Es scheint, als würde die Welt in dieser Höhe unter uns verharren, uns zu beobachten, den winzigen Punkt am Himmel, der vor einigen Stunden in der Halle gestanden ist, um darauf zu warten, endlich mit Menschenhilfe in die Luft zu gelangen.
Unser Kurs ist nun jener Standort, wo wir gestartet sind.
Naturvorgänge vorausschauend beobachten können
Klar ist die Aufschrift am Dach der Halle zu erkennen. Wir genießen das sachte, ruhige Gleiten über der Welt. Doch nach einigen Kurven mit ganz ausgefahrenen Störklappen berührt das Flugzeug weich den Boden und rollt langsam aus. Erst jetzt, beim Verlassen der Superorchidee merkt man, welche Schönheit, welchen wunderbaren Einblick uns dieser Flug über den Alpen vermittelt hat. Flieger zu werden ist eine Entscheidung, die wohl überlegt werden muss. Fast jeder, der nach einem Rundflug aus der Maschine steigt, erkundigt sich mit großem Interesse nach Möglichkeiten, diesen wunderschönen Sport zu erlernen. Jedoch stellen sich leider oft schon die ersten nachdenklichen Mienen ein, wenn man erfährt, mit welcher Mitarbeit und gegenseitiger Hilfe bei den Werkstätten Arbeiten der Segelflugsport verbunden ist. Segelflieger brauchen viel Einsatzwille, Idealismus, Zeit und Kameradschaft. Der sensible, kreative Charakter eines Menschen, der vorausschauend Naturvorgänge beobachten und daraus Schlüsse ziehen kann, macht den Segelflieger aus. Alle diese Eigenschaften haben wir in uns, man braucht sie nur zu wecken.
Wie kann ich zum Segelflieger ausgebildet werden?
Verein oder Flugschule?
In Österreich gibt es große Flugschulen und viele Vereine, die Segelflieger ausbilden. Es besteht die Möglichkeit, die Ausbildung an einer Flugschule zu absolvieren, das kostet zwar mehr Geld, führt aber meist in einigen Wochen zum Alleinflug. In einem Verein werden dann die erworbenen Fähigkeiten ausgebaut und weiter gefestigt, wobei es praktisch kaum ein „AUSGELERNT - SEIN“ bei diesem Sport gibt.
Hat jemand das Glück, einen Segelfliegerverein in der Nähe zu haben, kann man, wenn der Verein die entsprechenden Fluglehrgänge anbietet, auch dort den Segelfliegerschein meist in Form von Wochenendschulungen erwerben. Diese Variante ist etwas kostengünstiger, erfordert jedoch etwas mehr Zeitaufwand als ein straff durchgeführter Lehrgang.
Wie läuft die praktische Ausbildung ab?
Die ersten Erfahrungen im Segelflug sammelt der Flugschüler heute ausschließlich in doppelsitzigen Segelflugzeugen, aber auch Schulungen mit Motorseglern werden durchgeführt.
Gut ausgebildete Fluglehrer stehen den Flugschülern gerne zur Verfügung. Die Startart, mit der ein Segelflieger in die Luft kommt, ist regional sehr verschieden, hat jedoch auf die Gediegenheit der Ausbildung keinen Einfluss. Oft werden Motorsegler zur Ausbildung erfolgreich eingesetzt, da sie weitgehend wetterunabhängig sind.
Geldsparender jedoch ist der Windenstart, falls eine solche in einem Verein eingesetzt wird. Dem Fortschritt des Flugschülers entsprechend bestimmt der Fluglehrer, wann der Schüler den 1. Alleinflug durchführen darf. Nach mehreren Stunden Flugpraxis und Starts alleine wird die praktische Prüfung abgelegt.
Die theoretische Ausbildung
Diese geht mit der praktischen Ausbildung im Segelflug einher und ist inhaltlich und zeitlich auf diese abgestimmt. Es gibt gute Lehrbücher, die als Lernbehelfe für eine gediegene Ausbildung dienen, wobei der Fluglehrer hilfreich zur Seite steht und auch den Lernstoff gemeinsam mit dem Flugschüler bespricht und auch ergänzen kann.
Erwerb des Segelfliegerscheins
Zum Erwerb des Segelfliegerscheins (Glider Pilot Licence) müssen neben den Prüfungen und dem Nachweis über die Übungen der entsprechenden Ausbildungsabschnitte die einschlägigen Voraussetzungen erfüllt sein.
Die fliegerische Weiterbildung
Der Luftfahrerschein ist erst die Grundlage für das Erlernen weiterer Fertigkeiten im Segelflug. Die internationale Segelflugvereinigung hat dazu als Ansporn Leistungsabzeichen geschaffen.
Und es geht weiter - Strecken fliegen
Das Streckenfliegen sollte dem sportlich eingestellten Piloten immer wieder einen Leistungsanreiz geben, wobei sich erst die ganze Schönheit des Segelfliegens offenbart, dem Fliegen über unseren Alpen.
Der Segel-Kunstflug sollte ebenfalls eine Herausforderung für Piloten sein, die sich weiterbilden möchten. Daneben gibt es noch Ausbildungslehrgänge für Wolkenflug, aber auch die Ausbildung zum Segelfluglehrer kann ein ideales Ziel sein, für das es sich lohnt, nochmals eine spezielle Schulung aufzunehmen.
Sollte man sich einmal für Motorsegeln oder Motorfliegen interessieren, so bietet das segelfliegerische Können eine ideale Grundlage, denn Segelflieger müssen aerodynamisch sauber, vorausschauend und sicher fliegen, um so lange als möglich in der Luft zu bleiben.
Aber auch jene Leute, die keine so Ehrgeizigen Pläne haben, finden im Segelfliegen eine Sportart, die ihnen Geselligkeit und Kameradschaft bietet und die einen fast unerschöpflichen Erlebniswert hervorzaubert.
Sepp Enzenebner